Wie der Fernverkehr mit Echtzeitdaten Zug-Pannen vermeidet und Verspätungen reduziert

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    05/2025 – Ausfälle verhindern und technische Fehler sofort diagnostizieren: Mit neuen Schnittstellen und cleverer Datenaufbereitung hat der Fernverkehr auf Basis von Telemetriedaten und viel Praxiserfahrung einen Echtzeit-Pannenservice für Züge geschaffen.

    Eine Fehlermeldung oder eine Panne eines Zuges kann im ungünstigsten Fall eine Kettenreaktion aus Verspätungen verursachen: ein Stau, in dem ein Zug die nachfolgenden Züge aufhält. Mit Echtzeit-Telemetrie aus den Fahrzeugen und den Datenlösungen von DB Systel können die Expert:innen der „Störungsanalyse“ von DB Fernverkehr die Kolleg:innen im Betrieb heute bei Störungen oder Fehlermeldungen sofort auf der Strecke unterstützen. Konkret sind dies beispielsweise die Disponent:innen und Triebfahrzeugführer:innen. Diese Lösung ist das „Digitale Backoffice“. Sie hat von Beginn an alle Ziele übererfüllt, Verspätungen und Ausfälle mit fahrzeugtechnischen Ursachen zu vermeiden.  

    Wichtige Daten zum richtigen Zeitpunkt nutzen 

    Ein moderner Zug hat eine Vielzahl an Sensoren – bis zu 40.000 pro Fahrzeug – und sendet diese permanent „an Land“, wie es in der Bahnsprache heißt. Das Team „Störungsanalyse“ bei DB Fernverkehr wertet diese Telemetriedaten bereits seit vielen Jahren aus und kann so beispielsweise technischen Störungen auf die Schliche kommen. „Wir prüfen: Wie viele Verspätungsminuten gab es, welche davon haben eine fahrzeugbedingte Ursache?“, sagt Sandra Siebert, Product Ownerin in diesem Team. „Wir suchen nach Ursachen und deren Lösungen: Was kann man beim nächsten Mal besser machen?“ Denn schließlich wirkt sich jede Panne, jeder Ausfall auf die Reisenden und das gesamte Streckennetz aus. 

    Diese Arbeit hilft bereits seit langem dabei, die Zuverlässigkeit von Fahrzeugen zu verbessern, Erkenntnisse zu sammeln, Lösungswege und Anleitungen zu entwerfen. Seit 2015 gibt es ein Data Warehouse, in dem alle Fahrzeugdaten erfasst und später ausgewertet wurden. Doch die Expert:innen wollten nicht mehr nur aus der Vergangenheit lernen. Sie merkten in vielen Fällen: „Wir hätten dem Zug helfen können, nicht auszufallen - wenn wir denn live dabei gewesen wären“, erinnert sich Sandra Siebert. Das war der Start des Digitalen Backoffice: „Wir brauchen Leute, die live da sind und wir brauchen vor allem die IT im Hintergrund.“  

    Die Sensoren verraten mehr als das Zugpersonal sieht 

    Denn einige Fehler ließen sich beheben, wenn man den vollständigen Blick auf die Daten hätte. „Manche Sachen sind undurchsichtig“, erklärt Sandra Siebert: „Während der Fahrt sehen die Triebfahrzeugführer:innen alle fahrtrelevanten Informationen auf ihrem Display. Im Hintergrund erhalten die Mitarbeitenden in der Produktion zusätzliche Diagnosemeldungen, die mit Hilfe komplexer Algorithmen den technischen Zustand der Züge analysieren und potenzielle Schäden erkennen können, bevor sie entstehen. Die Algorithmen wurden in Zusammenarbeit mit der DB Systel entwickelt und werden kontinuierlich von uns optimiert.“ 

    „Bisher haben wir diese Daten nicht systematisch in Echtzeit empfangen. Das war die letzte Meile, die wir gehen mussten. Wenn wir heute schnell sind, dann haben wir der Hotline den passenden Hinweis bereits gegeben, bevor die Lokführer:innen überhaupt anrufen.“

    Sandra Siebert, Product Ownerin DigiBO, DB Fernverkehr AG

    Die Telemetriedaten und Erfahrungswerte des Teams „Fahrzeuganalysen“ bringen in vielen solcher Fälle Klarheit oder Abhilfe. Dann ist der Zug im besten Fall nach wenigen Bedienhandlungen durch den Triebfahrzeugführenden wieder unterwegs, statt abgeschleppt zu werden. Gelegentlich kann das Digitale Backoffice auch einen präventiven Hinweis geben, bei nächster Gelegenheit ein technisches System umzuschalten oder neu zu starten, um sich anbahnende Probleme zu vermeiden. Die Erfahrung der Analyseprofis kann auch dann Zeit auf der Strecke einsparen, wenn ein Zug leider definitiv abgeschleppt werden muss und weitere Versuche wie ein Neustart der Systeme aussichtslos Zeit kosten würden. Gleichzeitig helfen die Datenhinweise dabei, Reparaturen zu beschleunigen, wenn Fehler bereits eingegrenzt sind, bevor der Zug im Werk angekommen ist. 

    Verspätungen gezielt verhindern 

    Neben der Technik sind die Fachleute essenzieller Bestandteil des Digitalen Backoffice: Drei Fachreferenten arbeiten jetzt im Schichtbetrieb und haben ihren Arbeitsplatz als menschliche Schnittstelle direkt bei der Disposition des Fernverkehrs. Dort beobachten sie Meldungen in einem Liveticker auf einem neuen Dashboard, dem Herzstück des Digitalen Backoffice. „Dieser Liveticker ist unser großer Mehrwert“, sagt Sandra Siebert stolz: „In diesem sehen unsere drei Fachreferenten, welche Störungen es gibt. Jeweils versehen mit Prioritäten und Abhilfetexten, was sie dem jeweiligen Disponenten oder dem Zugpersonal als Hinweis mitgeben können.“ Dies können konkrete technische Fehler sein, aber auch wichtige Hinweise im Bahnbetrieb – der Ticker verbindet aktuelle Meldungen mit dem gesammelten Wissen aus vielen Jahren der Fahrzeuganalyse.  

    Beispielsweise kann die Disposition anhand der Hinweise bestimmte Fahrzeuge so umplanen, dass sich ein kleiner Defekt möglichst effizient nach der nächsten Fahrt in der Instandhaltung beheben lässt. Oder potenzielle Störungen werden präventiv vermieden, indem man ein Fahrzeug vor der nächsten Reise austauscht, weil sich ein Problem anbahnt. Die Triebfahrzeugführer:innen („TF“) erhalten Hinweise und Lösungsvorschläge über die „TF-Hotline“. Hier können sie anrufen und sich Unterstützung bei Fragen oder Störungen holen. Die Referent:innen leiten die Informationen zur Pannenhilfe an die Mitarbeitenden der Hotline, diese können die TF anpingen, damit sie bei Gelegenheit zurückrufen. Denn aus Sicherheitsgründen ist es nicht möglich, die Triebfahrzeugführer:innen direkt anzurufen.  

    Die neue Datenkette vom Fahrzeug bis zum Dashboard 

    DB Systel war an der Umsetzung der IT-Basis für das Digitale Backoffice von Beginn an beteiligt, berichtet Sandra Siebert. Michael Domke unterstützt mit seinem Team schon länger die Fahrzeuganalysen und das Nachbarteam „Flottenmonitoring“ des Fernverkehrs: „Da wir immer schon erfolgreich mit Michaels Team zusammengearbeitet haben, war für uns klar, wir werden auch hier wieder mit ihnen zusammenarbeiten.“ Die Kooperation zwischen den Datenprofis der DB Systel und den Analyseexpert:innen des Fernverkehrs läuft sehr eingespielt ab: „Wir arbeiten immer in Tandems zusammen“, berichtet Sandra Siebert. „Wir haben immer mindestens eine Kollegin oder einen Kollegen von der DB Systel und einen oder zwei aus dem Fachbereich, die ein Thema gemeinsam bearbeiten. Es ist nicht so, dass wir nur die Anforderungen übergeben, sondern wir tauschen uns regelmäßig aus und arbeiten gemeinsam an der erfolgreichen Umsetzung.“  

    „Die technische Herausforderung war es hier, die Daten über viele Subsysteme möglichst schnell in unser System zu bekommen“, erinnert sich Michael Domke. Sensordaten und Fehlermeldungen unterschiedlicher Fahrzeugtypen werden hier zusammengeführt, mit Algorithmen ausgewertet, nach Priorität gewichtet und mit Lösungsvorschlägen aus der Datenbank verknüpft. Das Dashboard und der Ticker basieren dabei auf der Low-Code-Lösung APEX von Oracle. „APEX ist bei uns in den Enterprise-Lizenzen enthalten. Dementsprechend können wir das für viele Nutzer:innen ohne Mehrkosten zur Verfügung stellen, was uns wichtig war“, so Michael Domke.  

    „Wir hatten die Anforderung, so genannte ‚betriebliche Lost Units‘ zu verhindern, zum Beispiel Verspätungsminuten zu vermeiden oder Störungen zu verhindern. Und diese Ziele haben wir immer übererfüllt.“

    Michael Domke, Product Owner „Experts for your Data“, DB Systel

    Für die reibungslose Reise der Daten vom Zug zum Dashboard hat das Datenteam von DB Systel Systeme vereint, neue Schnittstellen geschaffen und eingebunden: „Wir sprechen hier nicht nur von einer neuen Darstellung, sondern auch davon, die Daten sinnvoll miteinander zu verknüpfen.“ Die drei Fachreferenten sehen heute alle wichtigen Zug-Informationen in ihrem Dashboard: Störungs- und Ortungsdaten, ob in den letzten Tagen etwas auffällig war, in welchem Zustand der Zug am Morgen losfuhr und das gesammelte Wissen zu den Fehlern – inklusive Erfolgschancen dieser Tipps. Diese Wissensdatenbank wird immer weiter ergänzt. Neue Erkenntnisse der Teams landen automatisch in der Datenbank und müssen nicht intern geteilt werden. 

    Die neue Lösung erzeugt 1.000 Hinweise pro Monat 

    Das Team betreut alle Fahrzeuge des Fernverkehrs im gesamten Streckennetz. „Wir bearbeiten gut 1.000 Tickereinträge im Monat – im Sinne von: Wir leiten einen relevanten Hinweis für den Betrieb daraus ab“, berichtet Sandra Siebert. „In manchen Fällen verhindern wir damit einen Ausfall, in anderen reduzieren wir Verspätung oder verbessern die Qualität.“ Die ebenfalls vermiedenen ‚sekundären Verspätungen‘ anderer Züge hinter dem defekten Zug sind dabei noch nicht einmal enthalten.   

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