Wie Kundenbeziehungen bei DB Cargo digital zusammenwachsen

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Artikel: Wie Kundenbeziehungen bei DB Cargo digital zusammenwachsen

03/2024 – Die Customer Service and Sales Application „casa“ ist das neue System der DB Cargo, das den Vertrieb, den Kundenservice und die Stammdaten einheitlich verwaltet. Damit wurden, nach 25 Jahren, zwei Altanwendungen sowie zahlreiche Excel-Tabellen und Hilfslösungen in Rente geschickt.

DB Cargo bringt Güter auf die Schiene. Ob ein Rohstofftransport mit vielen Tausend Tonnen vom Hafen zu einer Fabrik gelangen soll oder ob zahlreiche Logistikunternehmen jeweils nur wenige Wagen eines Zuges reserviert haben, die alle zu einem anderen Ziel sollen: Im Geschäftsalltag arbeitet DB Cargo mit vielen unterschiedlichen Kundenunternehmen und zahllosen möglichen Transportvarianten. Die meisten Fahrten finden zudem länderübergreifend statt. In diesem komplexen Geschäftskundenumfeld hat jede:r Beteiligte eigene Prozesse und Systeme.  

Umso wichtiger ist es, trotz der vielfältigen Kundenkontakte und individuellen Aufträge zu digitalisieren, einheitliche Abläufe und Werkzeuge zu schaffen. So arbeiten seit 2022 Kolleg:innen im Vertrieb und in der Produktion im „Control Tower“ in integrierten Teams zusammen und kümmern sich um Kund:innen und deren Verträge. Im zweiten Schritt hat DB Cargo gemeinsam mit DB Systel das „KundenService System“ (KUSS) abgelöst. Dieses hat den Kundenservice der DB Cargo 25 Jahre lang begleitet, konnte jedoch mit den heutigen Anforderungen und Abläufen nur noch bedingt mithalten. „1,8 Millionen Kundenvorgänge wurden mit KUSS im Schnitt im Jahr bearbeitet und das mit zahlreichen Medienbrüchen“, erinnert sich Martin Prager von DB Cargo. „Das heißt, die Mitarbeitenden mussten sich beispielsweise eine Auftragsnummer aus anderen Systemen holen, denn da gab es keine Schnittstelle. Oder sie mussten manuell prüfen, ob das ein Gefahrguttransport ist, denn die Behandlung von Gefahrgut ist anders.“  

Arbeitserleichterung für 2.000 Mitarbeitende 

Dr. Martin Prager ist „Head of Digital Customer Interface” und „Head of IT Project Management Sales” bei DB Cargo. In einem gemeinsamen Digitalisierungsprojekt mit DB Systel hat er KUSS Ende des Jahres 2023 abgelöst. Er beschreibt exemplarisch, wie der Alltag der Mitarbeitenden im Control Tower noch bis vor wenigen Monaten aussah: Wenn diese morgens ihren Rechner hochgefahren haben, mussten sie sich an bis zu einem Dutzend unterschiedlicher Systeme anmelden. „Nicht nur am abgelösten KUSS“, berichtet er, „sondern auch an einer zweistelligen Anzahl weiterer Verfahren wie Datenbanken, wofür es teilweise unterschiedliche Passwörter gab. Es war für die User:innen teilweise sehr umständlich, sodass sie bis zu 50 Anmeldevorgänge pro Tag hatten.“ 

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Das Geschäftskundenumfeld von DB Cargo ist komplex - jede:r Beteiligte hat eigene Prozesse und Systeme


Seit November 2023 sind diese umständlichen Wechsel zwischen den Systemen mit Hilfe von „casa“ (Customer Service and Sales Application) Geschichte, berichtet Martin Prager: „Heute sieht die Sache so aus: sie klappen den Laptop auf und werden per Single Sign-On bei casa angemeldet.“ Fertig. Rund 20 neue Schnittstellen zwischen casa und den Umsystemen kümmern sich darum, dass niemand mehr Vorgangsnummern extern nachschlagen muss. Auch das Beispiel der Gefahrguttransporte zeigt die Verbesserungen im Alltag: „Bei casa läuft das ganz anders. Der Auftrag kommt herein und Mitarbeitende bekommen über eine Schnittstelle sofort angezeigt: ‚das ist ein Gefahrgutvorgang, den musst du anders behandeln‘ und dann geht es automatisch anders weiter. Wir haben da jetzt einen viel schnelleren Prozess“, freut sich Martin Prager.  

Denn mit „casa“ (Link nur für DB-Mitarbeitende) haben DB Cargo und DB Systel jetzt erfolgreich eine neue Plattform implementiert, die sowohl erstmals alle Kundenbeziehungen einheitlich verwaltet, als auch die Vorgänge rund um Kundenaufträge abwickeln kann.  

Übergreifende Einblicke für das gesamte Unternehmen schaffen 

Einfachere Prozesse für Mitarbeitende sind nur ein wichtiger Vorteil der Modernisierung, ein weiterer ist die Transparenz für das Unternehmen selbst. Mit casa werden bisher zersplitterte Vorgänge zentralisiert, somit sicht- und analysierbar. casa sei schließlich nicht nur eine Anwendung, „es besteht aus drei großen Teilen“, erklärt Martin Prager. Insgesamt arbeiten inzwischen rund 2.000 Mitarbeitende bei DB Cargo mit der neuen Lösung. Neben dem Kundenservice im Control Tower sind die Kundenbeziehungen im Vertrieb der zweite große Bereich: „Im Vertrieb verwenden wir casa für Aufgabenverwaltung, für Termine, Gesprächsprotokolle und mögliche Geschäfte, die Vertriebler:innen mit ihren Kund:innen besprechen“, fasst Martin Prager zusammen.  

Diese Kundenbeziehungen hatten die einzelnen Teams des Vertriebs zuvor jeweils für sich selbst organisiert: „Es gab für die Firma nur schwerlich einen Überblick“, blickt Martin Prager zurück. „Jetzt kann man wirklich von oben darauf blicken – was haben wir in der Pipeline, wie hat es sich im Vergleich zum letzten Monat entwickelt, und wie viel erwarten wir nächstes Jahr?“ Der dritte Aspekt von casa sind die Stammdaten der Kundenunternehmen. Diese sind jetzt ebenfalls zentral in der neuen Lösung geführt. Mit dem Wechsel auf die neue Plattform konnten zahlreiche frühere Workarounds und Behelfslösungen wie individuelle Excel-Tabellen einzelner Abteilungen abgelöst werden, die zuvor im Alltag nötig waren. Auch Aspekte wie Rechnungsreklamationen haben jetzt erstmals einen zentralen Ort, werden somit abteilungsübergreifend nachvollziehbar. Die alte Hardware, die für KUSS bisher am Leben gehalten werden musste, wird jetzt bereits abgebaut.

„DB Systel, DB Cargo und auch Salesforce haben zu dritt Hand in Hand daran gearbeitet, dass das Projekt ein Erfolg wird. Die Firmengrenzen waren von Anfang an völlig verwischt. Wir alle waren voll im Einsatz, um casa auf die Schiene zu bringen.“

Dr. Martin Prager, Head of Digital Customer Interface, DB Cargo AG

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Bewährte Lösungen ersetzen aufwändige Eigenentwicklungen  

casa ist keine aufwändige Eigenentwicklung, sondern hinter den Funktionen der Anwendungen stecken Cloudlösungen von Salesforce: „Wir verfolgen eine Plattform-Strategie bei DB Cargo und Salesforce ist hier die Plattform“, sagt Martin Prager. Christian Hübner ist Product Owner der Einheit „Logistic Platform Solutions“ bei DB Systel und hat das Projekt casa zu Beginn noch als Projektleiter mit den CRM-Expert:innen von DB Systel begleitet. Er erklärt die Hintergründe der Lösung: „Bei casa setzen wir zwei Produkte ein: die Service Cloud und Sales Cloud.“  

Von den Funktionen dieser CRM-Lösung profitieren heute auch die Ansprechpartner:innen bei den Kundenunternehmen: E-Mails und Anrufe werden jetzt automatisch in das richtige Team durchgestellt, Mitarbeiter:innen der DB Cargo können ihrerseits auf einen Blick beispielsweise sehen, wer gerade anruft und welche Vorgänge oder Kontakte es hier zuletzt gab. „Wir haben eine spürbare und signifikante Modernisierung in unserer Landschaft hinbekommen“, betont Christian Hübner den Umfang dieses Projektes: „Wir haben gleich zwei Altsysteme abgelöst. Das ist echt spürbar, wir sind jetzt in der Lage, wirklich moderne Kundenservice-Systeme einzusetzen.“ 

Bevor dies funktionierte, mussten im Projekt zunächst die Altlasten geklärt werden. Denn wenn eine Softwarelösung auf spezielle Branchenprozesse trifft, müssen sich entweder Softwarefunktionen den Geschäftsabläufen anpassen oder umgekehrt. DB Systel verfolgt im Projektalltag die Strategie, Software möglichst nah am Standard zu implementieren, um für die Deutsche Bahn Kosten bei der Implementierung und Wartung im Griff zu behalten. Auch bei casa mussten Funktionen und bestehende interne Abläufe zusammenwachsen: „Der Güterverkehr ist noch sehr stark durch individuelle Prozesse geprägt. Und diese über den Haufen zu werfen, nur damit ich im Standard bleibe, das ist illusorisch“, erinnert Christian Hübner sich an die damaligen Diskussionen. „Nichtsdestotrotz bleibt natürlich das Ziel, das wir gemeinsam mit DB Cargo verfolgen, die Prozessbeteiligten zu überzeugen, nicht immer individuelle Lösungen zu entwickeln und stärker in Richtung Standard zu gehen.” Martin Prager stimmt ein: „Customizing ist teuer und im Idealfall bleibt man natürlich beim Standard. Wir haben jedes Thema vor dem Hintergrund betrachtet: Kann man das auch im Standard machen, wenn ja, was würde das für den Fachbereich bedeuten?“ In der Praxis ist Salesforce jetzt in Form von casa mit rund 20 Schnittstellen und Partnersystemen verbunden. „Da ist es wichtig, dass man einzelne Details betrachtet, die vielleicht erst auf den dritten Blick wichtig werden“, erinnert Christian Hübner sich. „Weil sonst das Zusammenspiel nicht funktioniert. Dann kommt die Reklamation nicht an oder die Benachrichtigung geht nicht raus.“ 

„Diese Integration über verschiedene Systeme und verschiedene Beteiligte hinweg in einer plattformbasierten Lösungen zu realisieren: das war – gerade in dem Kontext hier – eine extreme Herausforderung.“

Christian Hübner, Product Owner Logistic Platform Solutions, DB Systel

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Pünktlicher Projektabschluss trotz Aufräumarbeiten und Pandemie 

Den Startpunkt für das Projekt hatte der Vorstand der DB Cargo Anfang 2021 gesetzt. Damals fällte dieser die Entscheidung, die Altsysteme zu ersetzen. Mit dem initialen Launch im September und der Abschaltung der Altsysteme im November 2023 endete das Kernprojekt. „Am Anfang startet man da ganz euphorisch“, erinnert sich Martin Prager, „aber bei einer dreijährigen Projektlaufzeit merkt man recht schnell, dass es sich hier nicht um einen Sprint, sondern definitiv um einen Marathon handelt.“ So gab es beispielsweise fachliche Diskussionen dazu, welche Funktionen des Altsystems sich die User:innen im Nachfolger möglichst ähnlich nachgebaut wünschen. Eine andere Herausforderung war die Datenqualität. Dadurch, dass mit casa unterschiedliche Informationen und Vorgänge aus dem Kundenservice und Vertrieb auf eine einheitliche Plattform gebracht wurden, bot diese Zusammenführung einige Überraschungen:  

Das Team musste einerseits zahlreiche Excel-Dateien und Datenbanken berücksichtigen, die in Abteilungen als Hilfsmittel gegen Limitierungen des Altsystems dienten. Zudem waren Bestell- oder Vorgangsnummern wegen der historisch voneinander getrennten Abläufe nicht über alle Abteilungen hinweg einzigartig. Hätte das Projektteam einfach alle Stammdatensätze importiert, gäbe es mehrere unterschiedliche Einträge mit identischen Nummern. Deshalb benötigte das Projekt das Engagement der Fachabteilungen: „Wir waren darauf angewiesen, dass die Fachbereiche Leute abstellten, die mit uns gemeinsam dafür gesorgt haben, dass wir die ganzen Dubletten zusammenlegen konnten, da wir ansonsten das System noch nicht einmal hätten testen können“, zeigt sich Martin Prager heute noch dankbar für die teamübergreifende Mitarbeit.  

Neben der rein technischen und fachlichen Umsetzung ist ein solches Projekt auch ein Veränderungsprozess, der die User:innen abholen muss: „Die Mitarbeiter:innen hören, dass ihr Altsystem, mit dem sie seit 25 Jahren arbeiten, abgelöst wird“, beschreibt Martin Prager. „Sie fragen sich: ‚was bedeutet das für mich‘ und sehen das vielleicht zunächst skeptisch“. Mit Messeständen, Marktplätzen, Schulungen und Gewinnspielen hat das Projektteam die Mitarbeitenden immer wieder an das Thema herangeführt und ihnen einen Ausblick auf die neue Arbeitswelt geben können. 

Die Digitalisierung im Güterverkehr geht weiter 

Mit dem aktuellen Launch von casa und dem Ende von KUSS ist die Transformation des Kundenkontaktes bei DB Cargo noch nicht abgeschlossen: „Wir haben Großes vor und casa ist nicht das Ende der Entwicklung, sondern eher der Startpunkt“, freut sich Martin Prager auf die Zukunft. „Das prüfen wir jetzt Stück für Stück und wollen unsere IT-Anwendungslandschaft vereinfachen und effizienter machen. Wir werden viele – teils teure – IT-Anwendungen auf Salesforce-Basis besser nachbauen und dann abschalten können.“ Denn es gibt noch weitere Abteilungen bei DB Cargo, die von einer einheitlichen Cloud-Plattform oder den zusätzlichen Lösungen des Systel-Partners Salesforce profitieren könnten.  

DB Systel wird dabei weiterhin als Wegbereiterin mit CRM-Expertise zur Seite stehen: „Wir haben hier schon die ersten Ansätze mit künstlicher Intelligenz, wo wir Vorgänge vorsortieren. Das steckt noch in den Kinderschuhen, aber das ist eine spannende Perspektive“, freut sich auch Christian Hübner auf die nächsten Schritte. „Wir wollen auch weitere Vertriebseinheiten der DB Cargo auf casa bringen, die heute noch nicht mit dem System arbeiten. Das läuft gerade und soll noch 2024 umgesetzt werden.“ 

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