Corporate Security Platform
Artikel: Sicherer und schneller für alle: die neue Sicherheitsplattform
12/2021 – Mit der neuen Sicherheitsplattform werden künftig Risikolagen schneller erkannt. Sicherheitsrelevante Informationen aus allen Bereichen des DB-Konzerns werden künftig in einem System zusammengeführt. Das kann die Sicherheit in Zügen und Bahnhöfen erhöhen und für mehr Zufriedenheit bei Mitarbeitenden und Fahrgästen sorgen.
Die Deutsche Bahn und ihre Mitarbeitenden stehen für sicheres Reisen. Damit das trotz der sich ständig verändernden Sicherheitslage so bleibt, startete im Frühjahr 2020 „Sicher Unterwegs“, der erste Mitarbeiterausbaustein aus der Konzernstrategie „Starke Schiene“. Ziel ist es, mit einer modernen IT-Lösung, genannt Corporate Security Platform, alle Ereignisse, die die objektive oder subjektive Sicherheit beeinträchtigen, in Echtzeit zu erfassen und auszuwerten, um sofort reagieren zu können. Denn immer wieder kommt es in Zügen oder auf Bahnhöfen zu Vorfällen, die das individuelle Sicherheitsempfinden von Mitarbeitenden oder Reisenden beeinträchtigen oder sogar eine konkrete Gefahr darstellen. Allein 2020 wurden bundesweit über 100.000 Security-Vorfälle erfasst: vom Hausrechtsverstoß bis zur Straftat. Den größten Anteil daran haben Vandalismus oder Graffitis. Schwerwiegender sind allerdings die rund 2.000 Angriffe aufs Personal.
Hören aufs Bauchgefühl
Mike Schneider ist Leiter der Grundsatzabteilung in der Konzernsicherheit. Als ehemaliger Lokführer kennt er aus eigener Erfahrung die Situation vor Ort. „Es muss nicht immer eine konkrete Bedrohung vorliegen, manchmal ist es in bestimmten Situationen nur ein Bauchgefühl.“ Und wenn man mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit geht, sorgt das wiederum auch bei Fahrgästen für Unsicherheit. Das bisherige System ist nicht für ein subjektives Sicherheitsempfinden ausgelegt. „Es gibt bereits Anwendungen, mit denen Lokführer, Zug- und Servicepersonal konkrete Vorfälle erfassen können“, sagt André Zinkhan, IT-Projektleiter bei DB Systel. „Darüber meldet man zum Beispiel, wenn man im Zug oder in einer Schicht beleidigt, bedroht oder gar angegriffen oder genötigt wurde.“ Diese Daten werden im System des jeweiligen Geschäftsfeldes gespeichert, bislang aber nicht zentral zusammengeführt. Eine Bearbeitung von Ereignissen, die etwa eine Intervention erfordern, findet nicht zentral mit Lageüberblick statt, sondern zumeist dezentral und nach oftmals sehr unterschiedlichen Maßstäben. Eine automatische Erfassung und zentrale Bereitstellung dieser Information ist in Echtzeit bislang kaum möglich. Jeder Sachverhalt wird weitestgehend manuell bewertet und analysiert. Von der Meldung eines security-relevanten Ereignisses, einer Mitarbeiterinfo bis zur entsprechenden Analyse und Maßnahmeneinleitung kann es so eine Woche oder mehr dauern.
„Wenn nach einer Meldung nichts passiert, ist das frustrierend“, erläutert Mike Schneider. „Die Mitarbeitenden sollen ein schnelles Feedback bekommen. Manchmal genügt auch die Information, dass wir den Fall aufgenommen haben, ihn analysieren und wir schauen, was wir machen können“, so Mike Schneider. „In der heutigen Zeit mit all den digitalen Möglichkeiten kann es nicht mehr sein, dass sie sieben Tage warten müssen“. Neben der Verkürzung der Bearbeitungszeiten und einer Optimierung der bestehenden Prozesse wird der innovative Einsatz von Technologie auch völlig neue Wege im Sicherheitsmanagement eröffnen. Diese Möglichkeiten zu nutzen und bestehende Systeme neu zu konzipieren, ist das klar adressierte Anliegen der Mitarbeitenden, die sich im strategischen Ausbaustein „Sicher unterwegs“ engagieren.
Die Konzernsicherheit hat schnell reagiert und schon im Juni 2020 das Projektteam zusammengestellt, dessen Ziel der Aufbau der neuen Corporate Security Platform ist. Organisiert wurde die Projektsteuerung von DB Management Consulting, dem DB-eigenen Beraterteam. DB Systel war von Anfang an als Partner an Bord. Für André Zinkhan ein ganz besonderes Projekt: „Es ist total erfüllend und spannend. Wir arbeiten mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem gesamten Konzern an einem interdisziplinären und visionären Projekt. Durch diese Zusammenarbeit haben wir ein besseres Verständnis dafür entwickelt, womit sie konfrontiert sind, wenn es darum geht, die Sicherheit unserer Fahrgäste und anderer Mitarbeitender zu gewährleisten. Zudem sammeln wir auch Ideen, wie die Zukunft aussehen könnte. Unsere Vision ist es, jeden mit den Werkzeugen auszustatten, die das Leben einfacher und sicherer machen.“
Vielversprechende Tests mit den ersten Anwendungen
Im Juli 2021 wurden technische Konzepte erstellt. Derzeit wird ermittelt, mit welcher Technik die höchst unterschiedlichen Anwendungsfälle umgesetzt werden können. Ende 2022 soll die Plattform fertig sein. Doch schon jetzt zeigen Tests mit ersten Anwendungen, was über die Plattform möglich ist. Mit der Anwendung „Prio-Ruf“ können Mitarbeitende mittels Handy, Smartphone oder Bluetooth-Button Hilfe rufen. „Das haben wir bei DB Regio und DB Station & Service erfolgreich getestet“, meint André Zinkhan. Eine weitere Anwendung ist eine obligatorische Sicherheitsabfrage, die bei DB Regio bereits produktiv in Einsatz ist und auch in anderen Geschäftsfeldern getestet wird: Mitarbeitende müssen am Ende ihrer Schicht auf dem Smartphone fünf Fragen beantworten, indem sie Symbole anklicken – und so schnell und unkompliziert Auskunft geben, ob es sicherheitsrelevante Vorkommnisse gab.
„Wir befinden uns in einer sehr privilegierten Position, wenn es zum Testen unserer Ideen kommt", sagt Mike Schneider. „Die Zusammenarbeit und Unterstützung der Geschäftsfelder bedeutet, dass wir ihnen Prototypen vorlegen, ihr Feedback einholen und dieses in die nächsten Entwicklungsschritte einfließen lassen können. Da kann dann auch mal die Antwort kommen, dass man das Handy in einer Gefahrensituation im Winter nicht mit den Handschuhen bedienen kann.“ Vor allem aber freue er sich über erste positive Ergebnisse. So gab es im Rahmen der Pilotierung einer mobilen Lösung auf einer Strecke, die gar nicht im Fokus stand, viele unterschwellige Security-Vorfälle. Diese Vorfälle sind zuvor aus allen aktuellen Statistiken gefallen, da es keine konkreten Übergriffe gab. Doch die Mitarbeitenden hatten sich subjektiv unwohl gefühlt, weshalb eine Schwerpunktbestreifung mit Sicherheitspersonal veranlasst wurde. „Das sorgte nicht nur für subjektiv mehr Sicherheit. Fast noch wichtiger war, dass die Kolleg:innen so merkten, dass ihr Anliegen ernst genommen wurde.“ Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie die Corporate Security Platform neue und vielfältigere Informationsquellen einbeziehen wird, um eine ganzheitliche Bewertung von Sicherheitsrisiken und die anschließende Entwicklung von Konzepten zu deren Bewältigung zu ermöglichen.
Keine Versprechungen, sondern konkrete Hilfe
Natürlich kann auch eine digitale Lösung wie die Corporate Security Platform keine absolute Sicherheit garantieren. „Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken. Ein Hilferuf nutzt schließlich nur dann etwas, wenn man auch Hilfe leisten kann.“ Vielmehr geht es um Unterstützung, zum Beispiel, wenn eine zusätzliche Sicherheitsstreife in den Zug einsteigt. „Unser großes Ziel ist es, die Kolleg:innen tatkräftig zu unterstützen, damit sie sich in ihrem Dienst besser fühlen. Und das wirkt sich natürlich auch auf unsere Kunden aus.“, erklärt Mike Schneider. Mit der Corporate Security Platform wird nun eine verbesserte Grundlage dafür geschaffen.