IT-Systemwechsel
Artikel: Das neue Herz des Fernverkehrs
06/2019 – Bis 2022 werden die Arbeitsprozesse bei DB Fernverkehr auf eine neue digitale Basis gestellt. Die Einführung der Software IVU.Rail Suite als neue Produktionsplattform geschieht unter maßgeblicher Beteiligung von DB Systel – und bietet riesige Chancen für Mitarbeiter und Reisende.
Es ist das derzeit größte IT-Projekt bei DB Fernverkehr: Anfang März erhielt IVU Traffic Technologies AG den Zuschlag im Vergabeverfahren, dass ihre Software IVU.Rail die Basis für die neue digitale Produktionsplattform des Fernverkehrs stellen wird. Anfang 2020 werden im stufenweisen Rollout erste Teile der Plattform zum Einsatz kommen – maßgeblich unterstützt von der DB Systel. „Der Umfang des Projekts ist riesig“, sagt Kai-Uwe Freiberger vom Accountteam DB Fernverkehr bei DB Systel. „Es umfasst alles, was mit dem Fahren von Zügen und dem Befördern von Reisenden zu tun hat. Die gesamte Planungs- und Dispositions-IT wird ausgetauscht, und neue, durchgängige Prozesse werden eine bessere Form der Zusammenarbeit ermöglichen. Planer und Disponenten werden fortan alle für ihre Entscheidungen relevanten Informationen in einem integrierten System vorfinden.“
Ziel des Projekts Produktionsplattform ist somit, die Abläufe in der Planung und Steuerung zu vereinfachen und zu optimieren. Dabei wird nach und nach die historisch gewachsene IT durch ein integriertes System ersetzt. „Die Produktion benutzt zum großen Teil IT-Systeme, die am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind. Auf der IT-Seite besteht daher Handlungsdruck“, berichtet Frank Orthey, IT-Gesamtprojektleiter des Projekts Produktionsplattform bei DB Fernverkehr.
Den Arbeitsalltag entlasten
Die Systemlandschaft hat die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht. Mehr Baustellen, steigende Fahrgastzahlen und enge Taktungen machen den Fahrplan anfällig für unvorhersagbare Zwischenfälle wie etwa Sturmereignisse. Das neue System wird die Flexibilität und die Transparenz liefern, die nötig ist, um den wachsenden Anforderungen an den Fernverkehr zu entsprechen.
Von der neuen Produktionsplattform auf Basis von IVU.Rail werden am Ende alle profitieren: Der Fernverkehr wird auch langfristig sein Kundenversprechen einlösen können. Die Prozesslandschaft wird transparent und die Abläufe besser planbar, was den Arbeitsalltag der Kolleginnen und Kollegen entlasten wird. Und das Unternehmen DB Fernverkehr stellt sich durch das Projekt Produktionsplattform auf Dauer zukunfts- und wettbewerbssicher auf.
Was muss sich dafür verändern? „Das grundlegende Problem ist, dass wir zurzeit eine Vielzahl von Systemen haben, die mehr schlecht als recht miteinander verbunden sind“, erläutert Frank Orthey. „Planung und Disposition drehen zu viele iterative Schleifen.“ Um diesen Zustand nachhaltig zu verbessern, ist eine ganze Menge Aufwand erforderlich: Aktuell stellen sich in fünf Produktteams sowie drei Unterstützungsteams insgesamt gut 50 Mitarbeiter der Herausforderung, die Kaufsoftware den Bedürfnissen der DB Fernverkehr entsprechend anzupassen. Dazu gehört auch, die Anwendung in die Cloud zu bringen sowie Schnittstellenadapter zur Anbindung der zahlreichen Umsysteme aufzubauen. „Mitarbeiter der Service- Einheit DB Enterprise Cloud (SEEC) von DB Systel kümmern sich um die Cloud-Betriebsführung. Wir gehen davon aus, dass wir für jeden Leistungsstrang, also für jedes Produktteam, eine Cloud-Umgebung aufbauen werden“, sagt Kai-Uwe Freiberger. Das gewährleistet schnelles Deployment. Das ganze Projekt befindet sich jetzt in der Wachstumsphase.
Zu Beginn des Projekts Produktionsplattform wurden daher vier Leitprinzipien festgelegt, die als Kompass für die auf fünf Jahre angelegte Projektlaufzeit dienen:
- Standardisierung: Abläufe mit wiederkehrenden Mustern sorgen für Handlungssicherheit.
- Digitalisierung: Die Minimierung manueller Routinearbeiten vermeidet Fehlerquellen und sorgt für Entlastung.
- Transparenz: Jeder Mitarbeiter hat jederzeit Zugang zu allen für ihn relevanten Informationen.
- Reaktionsfähigkeit: Bei Störungen des Zugbetriebs bietet das System konkrete Unterstützungen.
Diese Leitprinzipen wirken im Sinne einer optimalen Produktion zusammen: „Angenommen, in Norddeutschland stoppt ein Sturm den Schienenverkehr“, skizziert Frank Orthey, „dann benötigen die Mitarbeiter aktuelle Informationen für ein schnelles Krisenmanagement. Sie müssen z. B. zur Wiederaufnahme des Verkehrs wissen, wo einsatzbereite Züge stehen und welche Strecken befahrbar sind. Nur so wird sichergestellt, dass die Fahrgäste so schnell wie möglich weiterreisen können.“
Mit Herzblut
Der Change-Prozess in der Produktion von DB Fernverkehr umfasst rund 1.500 Mitarbeiter aus fünf Fachbereichen, die als Benutzer des neuen Systems direkt betroffen sind. „Die Zusammenarbeit der Fachbereiche wird sehr viel enger werden und sich beschleunigen“, ist Frank Orthey überzeugt. „Wir werden den Kolleginnen und Kollegen das neue System aber nicht ‚überstülpen‘. Im Gegenteil, wir wollen lieber umfassend schulen und die Mitarbeiter in den Fachbereichen und im CIO-Bereich direkt in die Projektarbeit einbeziehen.“ Dazu geht das Projekt agil vor, informiert betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte regelmäßig über die Projektergebnisse und bittet um Feedback. Dieses wird vom Projektteam aufgegriffen und dazu genutzt, das Produkt iterativ weiter zu verbessern.
Flankiert wird dieses Kommunikations- und Beteiligungskonzept durch Informationen im Social Intranet DB Planet, regelmäßige Newsletter sowie Onlinebefragungen der Mitarbeiter, die von der Einführung der Produktionsplattform betroffen sind.
Leicht wird es trotzdem nicht. „Wir stehen vor einem sehr langen und nicht immer angenehmen Veränderungsprozess“, konstatiert Frank Orthey. Das Projekt Produktionsplattform ist nicht nur aus IT-Sicht eine Herausforderung. Die durchgängigen Prozesse und kontinuierlichen Datenlieferungen im System einzuführen und zu stabilisieren wird allen Beteiligten viel abverlangen.
„Dieses Projekt können wir nur partnerschaftlich und mit viel Herzblut zum Erfolg führen. Das ist quasi eine OP am Herzen des Fernverkehrs“, ist sich Kai-Uwe Freiberger sicher. „Aber wenn am Ende alles funktioniert, wird es ein gemeinsamer Erfolg sein, der uns alle enger zusammenführt und weit in die Zukunft der Deutschen Bahn ausstrahlt.“