Planungs-Expertise mit KI-Anbindung

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Artikel: Planungs-Expertise mit KI-Anbindung

06/2020 – Wenn die Deutsche Bahn Bauprojekte plant, können betroffene Bürger dagegen schriftlich ihre Einwendungen einreichen. Künftig unterstützt eine künstliche Intelligenz das Fachpersonal bei der Bearbeitung dieser Einwendungen.

Trassen, Bahnhöfe oder Gebäude: Die Deutsche Bahn gehört zu den größten Bauherren des Landes. Bei der Vielzahl an Bauprojekten werden auch mögliche Bedenken von Anwohnern und Trägern öffentlicher Belange berücksichtigt. Im Rahmen der Bauvorhaben bringen Bürger und Träger öffentlicher Belange ihre schriftlichen Einwendungen gegen das Vorhaben bei einer zuständigen Anhörungsbehörde ein. Das kann eine Bezirksregierung sein, aber auch bei größeren Vorhaben eine Landesregierung. „Je nach Größe des Vorhabens können es ein paar hundert Einwendungen sein – oder ein paar tausend mit mehreren Seiten“, sagt Annette Mettendorf. Sie arbeitet bei DB Systel im SmartData Team an einer Software-Lösung, mit der die Einwendungsprozesse im Planfeststellungsverfahren optimiert werden.

"Die Bearbeitung der Schreiben ist bislang ein zeitraubender Vorgang, der viel Personal bindet und ein ausgeklügeltes menschliches System benötigt."

Annette Mettendorf, Product Owner SmartData Team, DB Systel GmbH

Annette Mettendorf

Derzeit sind die Prozesse noch kaum digital, hochqualifizierte Mitarbeiter müssen erst einmal Vorarbeit leisten: Sie bereiten die Daten auf, Adressen werden kopiert, die jeweiligen Argumente und Sachthemen klassifiziert und kategorisiert. Erst dann können sich die Fachleute um die Beurteilung der Argumente kümmern. Typische Anträge sind übersät mit Post-its und handschriftlichen Notizen. Gerade bei größeren Bauprojekten ähneln sich die Einwendungen. Dennoch wird jedem Schreiben die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt, um individuell und mit hoher Qualität darauf zu antworten. „Die Bearbeitung der Schreiben ist bislang ein zeitraubender Vorgang, der viel Personal bindet und ein ausgeklügeltes menschliches System benötigt“, sagt Annette Mettendorf.

Viele Einwendungen, die inhaltlich deckungsgleich sind, lassen sich nach einem ähnlichen Muster bearbeiten – und das macht sich die Software-Lösung des SmartData Teams zunutze. „Eine Einwendung kann verschiedene Aspekte beinhalten“, erklärt Andreas Brückner, Technical Engineer und Senior-Berater bei DB Systel. „Die Aufgabe einer künstlichen Intelligenz ist es nun, die entsprechenden Passagen automatisch zu erkennen und zu sortieren.“ Dafür wird zuerst eine Texterkennung eingesetzt, damit die Inhalte digital bearbeitet werden können, ohne sie vorher abtippen zu müssen. Mehr noch: Durch Textmining und Textanalyse wird das System befähigt, diese Inhalte auch zu verstehen. Es inventarisiert die Einwendungen eindeutig, fasst ähnliche Dokumente zusammen und kategorisiert die Sachthemen. Auch die Namen und Adressen der Einsender werden erfasst. Die Software übergibt dann die aufbereiteten Sachthemen an Gutachter und Experten, die nun gezielt auf die Punkte eingehen.

"Die KI muss erst lernen, was die einzelnen Passagen der Schreiben zu bedeuten haben."

Andreas Brückner, Technical Engineer und Senior-Berater SmartData Team, DB Systel GmbH

Andreas Brückner

Jeder einzelne Punkt wird separat von der KI bearbeitet und mit Antwortvorschlägen versehen, sofern es bereits konkrete Antworten auf die Fragestellungen gibt. Dadurch können sich die Experten und Gutachter auf ihre fachliche Arbeit konzentrieren. „Am Anfang ist die Erkennungsrate noch gering, aber mit der Zeit wird die Software immer besser“, sagt Andreas Brückner. Zu Beginn stehen dem System noch wenige standardisierte Textbausteine zur Verfügung. „Die KI muss erst lernen, was die einzelnen Passagen der Schreiben zu bedeuten haben.“ Was für Fachleute auf den ersten Blick klar ist, muss einer Maschine erst beigebracht werden, zum Beispiel der Unterschied zwischen Begrüßungsformeln und konkreten Einwendungen. Damit die Maschine das lernen kann, werden die Fachexperten bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung hinzugezogen.

Die künstliche Intelligenz bleibt auch künftig ein stiller Helfer, der lediglich die mühsamen Arbeiten übernimmt, aber weder Entscheidungen trifft, noch mit den Bürgern kommuniziert. „Es geht nicht darum, dass wir Mitarbeiter ersetzen wollen“, sagt Annette Mettendorf. „Im Gegenteil: Wir wollen unsere Fachleute in ihrem Job entlasten.“

Offen für Partner

In einem Planfeststellungsverfahren sind auch viele Anbieter und Software-Dienstleister involviert. Das System wird daher über eine API angesprochen, wodurch sowohl die Geschäftsfelder des Konzerns als auch andere mit dem Service kommunizieren können – mit den gleichen Sicherheitsmerkmalen: Die Sicherheit der Persönlichkeitsrechte und der entsprechenden Daten bleibt bei der Software-Lösung gewahrt. „Wir haben eine Architektur geschaffen, die den Schutz persönlicher Daten entsprechend gängiger Regularien sicherstellt“, sagt Annette Mettendorf. „Zu jedem Projekt gibt es einen Workspace, der vor einem Zugriff von außen geschützt ist und auf den nur ein definierter Mitarbeiterkreis zugreifen kann. Wie bisher auch.“

Bereits in der aktuellen Testphase erkennt die Software-Lösung zuverlässig Texte und Duplikate. Ende Juni 2020 wird die Lösung dann in Zusammenarbeit mit einem Pilotkunden in einem ersten Bauvorhaben eingesetzt. Bis dahin steht nicht nur die Technik, sondern es wird auch eine komplett neue Benutzeroberfläche entwickelt, die der Pilotkunde dann nutzen kann. Schon jetzt stehen weitere Ausbaustufen auf der Roadmap. „Wir werden das Produkt Einwendungsmanagement über das API-Management, aber auch über das Digitalportal für die verschiedenen Geschäftsfelder zur Verfügung stellen“, sagt Andreas Brückner. Darüber hinaus werden Ende des Jahres auch einzelne Bestandteile des Services angeboten, zum Beispiel die Duplikatserkennung. Eines ist klar: Gegen diesen Plan wird es sicher keine Einwände geben.

Sie haben Interesse daran, mehr über das Einwendungsmanagement zu erfahren? Dann finden Sie als DB-Mitarbeiter weitere Informationen auf unserer DB-Planet Seite von SmartData. Oder wenden Sie sich an smartdata.support@deutschebahn.com

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