Dank KI automatisiert einen Rufbus bestellen – die neue Hotline für DB Regio Bus

Zum Inhalt springen

Artikel: Dank KI automatisiert einen Rufbus bestellen – die neue Hotline für DB Regio Bus

01/2024 – Mit dem neuen Voicebot von DB Regio Bus und DB Systel können Reisende ihre Fahrt mit dem Rufbus jetzt automatisiert buchen. Dies entlastet die Telefonzentrale und garantiert optimale Erreichbarkeit für die Reisenden.

Rufbusse sind für viele ländliche Regionen ein wichtiger Baustein in der lokalen Mobilität. Sie bringen Fahrgäste zuverlässig zum Arzt oder zum nächsten Bahnhof und ermöglichen autofreie Fortbewegung in weniger dicht besiedelten Regionen. Sie halten beispielsweise Senioren mobil und bieten allen Bewohner:innen Anschluss an die Nachbargemeinden, schließen Lücken zwischen Bahnhöfen und anderen Verkehrsangeboten. Viele Landkreise nutzen Rufbusse, da diese die Nachhaltigkeit des ÖPNV bieten und durch ihre Flexibilität zugleich Kosten für die Gemeinde sparen, denn sie richten sich nach den Fahrtwünschen der Bewohner:innen auf dem Land.  

DB Regio Bus betreibt in Deutschland aktuell insgesamt rund 500 Busse im sogenannten „Bedarfsverkehr“, wie der Rufbus im Branchenjargon heißt. Anders als beispielsweise Sammeltaxis haben auch Rufbusse Haltestellen, Linien und einen Fahrplan. Mit einer Buchung sichern sich Fahrgäste den Halt an ihrer Start- und Zielhaltestelle und sorgen dafür, dass die flexibel gestalteten Fahrten stattfinden. Denn wenn niemand bucht, fährt der Bus nicht. Diese Buchung sollte für Reisende möglichst einfach und schnell erledigt sein, um niemanden davon abzuhalten, das Angebot zu nutzen. 


Bisher haben Fahrgäste in den Landkreisen, die DB Regio Bus bedient, zwei Möglichkeiten, eine Bedarfsfahrt zu buchen: einerseits über die App „Wohin Du willst“, die Verbindungen sucht, Fahrten bucht und verwaltet. Die zweite Möglichkeit funktioniert telefonisch per Hotline. Dafür gibt es die „Fahrtwunschzentrale“ von DB Regio, die solche Buchungen aufnimmt und bei Fragen helfen kann. Jeder Landkreis hat seine eigene Rufnummer für diese Buchungen.  

Dank einer Zusammenarbeit von DB Systel und DB Regio Bus gibt es jetzt eine weitere Möglichkeit, nämlich per Voicebot: dies funktioniert ebenfalls telefonisch – aber automatisiert. Diese automatisierten Buchungen können Reisenden Zeit sparen und die Telefonzentrale entlasten. Beispielsweise für Touristen, die an einer Haltestelle die dort angeschriebene Telefonnummer anrufen, da sie die App nicht installiert haben. Wer unkompliziert mobil sein möchte, hat in der Praxis wenig Zeit dafür, am Telefon in einer Warteschlange zu stecken. Deshalb führten in der Vergangenheit selbst kurze Wartezeiten von wenigen Minuten zu Beschwerden bei der Fahrtwunschzentrale, berichtet Nadia Panetta, zuständig für das Fahrgastmarketing der DB Regio Bus Bayern.  

„Als DB Regio Bus verfolgten wir eine klare Strategie zur Digitalisierung und Automatisierung. Wir waren von dem Potenzial und der Effektivität des Voicebots sehr überzeugt. Mit dem richtigen Anwendungsfall beschlossen wir: Let’s do it!“

Asha Joseph-Pattani, IT Bus, DB Regio Bus

Foto_Asha Joseph-Pattani_DB Regio Bus Voicebot_1000x1000px

Mit den KI-Spezialist:innen von DB Systel zum Voicebot 

Die automatische Telefonbuchung begann mit einer Idee: Auf einem Hackathon der DB Regio Bus entstand die ursprüngliche Anregung, Automatisierungen für die Fahrtwunschzentrale zu schaffen. Dieser Ansatz passte ideal in die übergreifende Digitalisierungsstrategie der DB Regio. Er gefiel gleich mehreren Fachabteilungen der DB Regio Bus so gut, dass sie die „IT Bus“ um die Projektleiterin Asha Joseph-Pattani baten, diesen Impuls aufzunehmen und nach praktischen Anwendungsfällen und einer Umsetzung dieser Idee zu suchen. So konkretisierte sich die Idee, es sollte eine automatisierte Hotline werden. Nach einem Termin mit den KI-Spezialist:innen des Systel-Ventures SEMMI war für DB Regio Bus klar, dass sie den richtigen Partner gefunden hatte. Denn SEMMI ist auf KI-Dialogsysteme spezialisiert, beispielsweise digitale Avatare an Bahnhöfen und Automatisierung von Callcentern.  

Neben dem passenden Umsetzungspartner benötigte DB Regio Bus eine passende Region, um den Voicebot in der Praxis zu testen. Anhand von Kriterien wie dem relativ niedrigen Anrufaufkommen und dem dort eingesetzten Buchungssystem wurde der Kreis Neumarkt in der Oberpfalz zum ausgewählten Voicebot-Pionier. Parallel dazu hat das Team um Asha Joseph-Pattani einen Business Case erstellt, um sicherzustellen, dass das Projekt einen spürbaren Mehrwert für die DB Regio Bus bringen wird. Da jede KI zunächst Daten benötigt, haben DB Regio und DB Systel zu Beginn alle Haltestellen und Verbindungen des Landkreises erfasst.

Wie ein Voicebot entsteht 

Die KI-Expert:innen von DB Systel haben zunächst ein Tool für die Fahrtwunschzentrale aufgesetzt, die Sprachaufnahmen erfasste. Mit diesem Tool konnten die Mitarbeiter:innen der Zentrale Tausende Beispiele einsprechen, um die KI für ihren zukünftigen Einsatz zu trainieren. So kamen rund 50.000 Sprachdateien zusammen. Denn die KI-Plattform für Dialoge muss gesprochene Sprache zunächst in Text umwandeln, um sie verarbeiten zu können – beispielsweise für das Buchungssystem. Für diese spezialisierte Aufgabe sollte die KI-Plattform ein exakt passendes Sprachmodell mit allen konkreten Haltestellen, Orten und auch möglichen Dialekten „lernen“. Somit kann sie die spezifische Intention der Anrufer:innen immer richtig verstehen. Eine Computerlinguistin von DB Systel hat das Projekt begleitet, damit die Sprachaufnahmen für die Aufgabe geeignet sind.  

Für den Erfolg und die Akzeptanz des Voicebots war das sogenannte Dialogdesign besonders wichtig. Hierbei geht es darum, die automatisierte Gesprächsführung möglichst natürlich und einfach zu gestalten. DB Systel und DB Regio haben die sogenannten „Flows“ – die Gesprächsführung – gemeinsam erstellt. Einerseits auf Basis von realen Anrufen in der Fahrtwunschzentrale und zudem erneut mit der Hilfe der Computerlinguistin von DB Systel. Denn bereits der „Intro Prompt“ – die initiale Ansage des Voicebots – ist entscheidend dafür, dass Anrufer:innen verstehen, mit wem sie sprechen, was sie sagen sollen und wie die Buchung funktioniert. „So ein Einstiegsdialog – nicht zu kurz, nicht zu lang – kann die Nutzerakzeptanz stark beeinflussen“, sagt Robert Muras vom Team SEMMI der DB Systel.


In der weiteren Umsetzung hat DB Systel den Voicebot einerseits an die Telefonanlage der Fahrtwunschzentrale und andererseits an das Buchungssystem für „Wohin Du willst“ angebunden. Dies erlaubt es, den Bot überall dort einzusetzen, wo die gleichnamige App bereits im Einsatz ist. Denn der Voicebot ist keine Einbahnstraße, sondern benötigt Schnittstellen, damit er beispielsweise die aktuellen Verbindungsdaten erhält. Der fertige Bot spricht – anders als eine klassische Bandansage – nicht mit vorgefertigten Audioaufnahmen, sondern versteht Sprache und spricht selbst mittels KI: Er liest beispielsweise Verbindungen aus dem Fahrplan vor und speichert gewünschte Fahrten direkt im Buchungssystem. So gibt es keinen manuellen Aufwand bei diesen Buchungen.  

Der Voicebot in der Praxis 

Im Januar 2023 startete die Pilotphase, der Voicebot durfte sich in Neumarkt erstmals in der Praxis bewähren. In dieser Testphase bis Juni 2023 haben DB Systel und DB Regio Bus Anrufe ausgewertet, das Team SEMMI hat Verbesserungen und Updates eingespielt. „Wir hatten unsere KPIs (Anm. Erfolgskriterien) und wir hatten sechs Monate Zeit für den Piloten“, erinnert sich Asha Joseph-Pattani von IT Bus: „Jede Woche hatten wir Feedback der Fahrtwunschzentrale und einen neuen Release der DB Systel mit Verbesserungen. Als wir gesehen haben, dass die Erfolgsquote gut genug ist, haben wir gemeinsam mit dem Landkreis entschieden, produktiv zu gehen.“

Das Ziel dieser Testphase war es, eine Erfolgsquote von 60 Prozent zu erreichen. Diese Quote enthält sowohl erfolgreiche Buchungen des Bots als auch erfolgreiche Weiterleitungen in das Callcenter, wenn diese gewünscht oder nötig sind. Ein „Misserfolg“ wäre beispielsweise eine nicht zwingend nötige Weiterleitung an die Telefonzentrale oder wenn die Anrufer:innen im Gespräch auflegen. „Wir haben schnell gemerkt, dass es noch Bugs gibt, die wir über Wochen und Monate mit Feintuning beseitigt haben und die die Performancequote verbessert haben“, erinnert sich Robert Muras von DB Systel.


DB Regio Bus kann die Umleitungen an das automatisierte Voicebot-System präzise steuern. Während der Testphase gelangten im Schnitt 80 Prozent der Anrufe zunächst an den Voicebot. Die Spracherkennung und Logik des Bots funktionieren so gut, dass Anrufer:innen ihre Fahrt in einem einzigen Satz buchen könnten: „Ich möchte morgen um acht Uhr von X nach Y fahren.“ Das System leitet die Anrufer:innen jedoch zur Sicherheit noch einmal einzeln durch diese Punkte. Anschließend erhalten die Reisenden eine SMS als Bestätigung ihrer Buchung. 

KI entlastet Mitarbeiter:innen, statt sie zu ersetzen 

Zum Ende der Testphase stand das Ergebnis, dass der Voicebot die 60 Prozent Erfolgsquote erreicht hat und knapp ein Drittel der Buchungen ganz alleine abwickelt. Dies klingt womöglich wenig, doch es ist ausdrücklich gewünscht, dass ein Teil der Anrufe in das Callcenter weitergeleitet wird. Nicht alle Anrufer:innen möchten eine konkrete Fahrt buchen, manche – wie viele der Tourist:innen der Region – suchen zunächst nach Beratung. Auch in anderen Sonderfällen kann es vorkommen, dass eine Buchung mit dem Voicebot aus Sicht der Statistik fehlschlägt: Wenn die Spracherkennung die Anrufer:innen wegen zu lauter Hintergrundgeräusche nicht versteht oder beispielsweise das Oberpfälzisch doch einmal zur Sprachbarriere wird, leitet der Bot die Anrufer:innen automatisch mit einem Hinweis an seine menschlichen Kolleg:innen weiter. 

Unkomplizierte Reisewünsche kann der Bot dagegen zuverlässig übernehmen. Einfache Fragen Reisender kann der Voicebot ebenfalls selbst beantworten (wie „Gilt mein Deutschlandticket im Rufbus?“), in vielen Fällen sind hier jedoch die Expert:innen der Fahrtwunschzentrale gefragt. Beispielsweise bei komplizierteren Reisen: Fahrten mitsamt Fahrrad, Kinderwagen, mehreren Personen oder Umstiegen. Auch nach der Testphase begleitet das Systel-Team um Robert Muras die Lösung weiter: „Das ist eine lebendige Lösung, sie wird iterativ immer weiterentwickelt. Wenn Optimierungsmöglichkeiten auffallen, dann sind unsere Entwickler:innen direkt dran.“  

DB Regio ist es wichtig, dass der Voicebot keine Mitarbeiter:innen in der Fahrtwunschzentrale ersetzt, sondern diese entlastet und bessere Erreichbarkeit für Reisende schafft – potenziell rund um die Uhr. Der Voicebot in Neumarkt kann zehn Telefonate gleichzeitig führen und ist somit besonders in Stoßzeiten eine Entlastung. In der Praxis übernimmt der Bot in diesem vergleichsweise kleinen Landkreis bereits rund 700 Anrufe pro Woche. Das erlaubt es den Kolleg:innen der Fahrtwunschzentrale, sich mehr Zeit für die Fragen der Reisenden und die komplizierteren Buchungen zu nehmen und die Wartezeiten zu verkürzen.  

„Jeder einzelne Anruf, der vom Bot abgenommen wird, zählt für uns ganz schön viel. Für Kund:innen, die keine Hilfe brauchen, weil sie ihren Einstieg, Ausstieg und ihre Abfahrtszeit kennen, ist dies ideal!“

Nadia Panetta, Fahrgastmarketing, DB Regio Bus Bayern

Foto_Nadia_Panetta_DB Regio Bus Voicebot_1000x1000px

Weitere Landkreise erhalten automatisierte Bestell-Hotlines 

Seit Juni 2023 hat der Voicebot in Neumarkt offiziell die Pilotphase verlassen und ist in den Produktivbetrieb gegangen. Jetzt werden nach diesem Erfolg weitere Projekte folgen: „Wir haben gemerkt, der Voicebot läuft gut, wir können das ausbauen“, sagt Nadia Panetta zur anstehenden Skalierung des Projekts. „Die nächsten Landkreise, die wir anschließen, sind bewusst keine kleinen Landkreise, sondern die machen stark etwas aus.“ Aktuell bereiten DB Regio und DB Systel den Einsatz des Voicebots in zwei großen bayerischen Landkreisen vor: Deggendorf und Passau. In diesen beiden Bereichen laufen Buchungen ebenfalls über „Wohin Du willst“, was diese Folgeprojekte erheblich beschleunigen wird. Das Projektteam schätzt, dass beide Projekte nur rund vier Monate bis zum Start benötigen werden. „Wir haben sehr viele Erkenntnisse, die uns jetzt zugutekommen. Themen wie Dialogpfade aufzubauen, Restriktionen festzulegen und technisch zu implementieren – die entfallen“, sagt Robert Muras von DB Systel. „Deswegen sind wir hier zeitlich deutlich schneller unterwegs als im initialen Projekt mit dem Landkreis Neumarkt.“ 

In den neuen Landkreisen müssen vor allem die Namen der Haltestellen und deren Aussprache integriert und die KI entsprechend trainiert werden. Zudem gehören auch Information und Kommunikation mit zu den Aufgaben in jedem Projekt: Die Anwohner:innen werden vorab vom Landkreis über die neue Funktion informiert und auch die Mitarbeiter:innen in der Fahrtwunschzentrale müssen in die neuen Abläufe eingearbeitet werden. Neue Landkreise benötigen jedoch keine Pilotphase mehr, sondern können nach anfänglichen Auswertungen sehr schnell als produktiv gelten. Bei zukünftigen Verkehrsausschreibungen von Landkreisen kann DB Regio jetzt dank der automatischen Hotline damit werben, auf Wunsch rund um die Uhr erreichbar zu sein. Auch das Team SEMMI hat aus den Erfahrungen des Projekts einen neuen Service entwickelt und bietet Automatisierungen von Telefonservices für alle Konzernpartner:innen an. 

Dies könnte dich auch interessieren